Es war, es ist, es wird nie mehr so sein


An einem schwülen Tag im Frühling, stand ich vor dem Tiefkühlregal und hielt nach einer Pizza Ausschau, als mir jemand auf die Schulter tippte. "Entschuldigung?", flüsterten die lieblichsten Lippen die ich je küssen sollte. "Kannst du mir vielleicht den Knoten aus meiner Tasche machen?" Hilflos sahen mich ihre braunen Augen an, sie strahlten in mein Innerstes hinein. "Aber gern!" sagte ich und freute mich wie ein kleines Kind, dass es endlich so weit war. So lange hatte ich gewartet. 
Während meine Finger herrenlos den Knoten öffneten, ließ ich keinen Blick von Ihr schweifen. Ich wollte jeden Moment auskosten, jeden Moment für immer konservieren.
Als sie sich bedankt und auf den Weg zum Brotregal machte, zögerte ich, überlegte, wusste es besser und doch berührte ich ihre Schulter. Sie drehte sich um, und Ihr Lächeln machte uns zu einem Paar.
Dies geschah vor einem Jahr. 

Heute morgen wachte sie wie immer auf, setzte sich auf die Kante unseres Bettes, schüttelte einmal Ihren Kopf, wobei ihr traumhaft süßer Duft meine Nase liebkoste, streckte ihre Arme und stieg mit einem Ruck auf. Sie drehte ihren Kopf und schenkte mir ein Lächeln. Ich lächelte zurück, wie immer versucht mir nichts anmerken zu lassen. Dann stand sie auf und ging unter die Dusche. Singen ist nicht ihre Disziplin, aber die Leidenschaft und Lebensfreude, die sie unter der Dusche zum Ausdruck bringt, erwärmt mir jedes Mal mein Herz.
Tanzend kommt sie zurück in unser Schlafzimmer und der Geruch frischer Kirschen, mischt sich mit dem Geruch meines Mädchens. Eine köstliche Kombination.
Ich betrachte Ihren Körper. Ihren kleinen, festen Po, ihre langen, seidigen Beine, ihren elfenhaften Rücken und ihre Brüste, die perfekt in meine Hände passen. Mein Herz verkrampft sich, doch ich versuche den Moment zu genießen.
Sie schlüpft in eine ihrer Jeans und lässt ihr Lieblingsoberteil über ihre Schultern fallen. Sie sieht aus wie eine Königin, die weiß, dass es nicht viel braucht, um einen Mann verrückt zu machen.
Sie geht zu Ihrem Nachtschränkchen und streift ihre Uhr über ihr Handgelenk. "Verdammt, ich bin zu spät!" sagt sie und lehnt sich über ihre Seite des Bettes, um mir einen flüchtigen Kuss zu geben. "Bis später", sagt sie und will gerade losgehen, als ich sie zurückziehe. Ich halte sie fest und küsse sie noch einmal, länger, intensiver. Ich überlege, zögere, weiss es besser und doch lasse ich sie los. Sie ist überrascht, doch Ihr Lächeln zeigt Verständnis. Dann verlässt Sie unsere Wohnung. Und ich beginne zu weinen.

Sie wird den Zug noch bekommen. Wird einem bettelnden Asiaten Geld geben, weil Sie ein ein so großes Herz besitzt. Dann wird sie aussteigen, auf dem Weg zum Büro zehn Männern begegnen, die es nicht glauben können, dass so ein Wesen auf Gottes Erde wandert. Sie wird einen erfolgreichen Tag haben. Sie wird absichtlich etwas früher aus dem Büro gehen um den Zug zu bekommen, damit sie mich sehen kann. Weil sie mich vermisst.
Um 17:43 wird sie an Gleis 13 von einem gestressten Anzugträger auf die Gleise gestoßen und der einfahrende Zug beendet ihr Leben.

2 thoughts on “Es war, es ist, es wird nie mehr so sein”

  1. DAS ist richtig krass.
    Der Effekt:
    Sprachlos. Minutenlang.
    Danach: nachdenklich.
    Absoluter Treffer. Respekt.

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